Ratgeber Ausbildungsrecht Ausbildungsvergütung

Der Ausbildungsbetrieb muss dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zahlen, die mindestens jährlich ansteigen muss ( § 17 BBiG). Die Vergütung für den laufenden Kalendermonat ist spätestens am letzten Arbeitstag dieses Monats zu zahlen ( § 18 Abs. 2 BBiG).



Wonach richtet sich die Höhe der Ausbildungsvergütung?

Wann die Vergütung im Einzelfall als angemessen anzusehen ist, richtet sich danach, ob ein einschlägiger Tarifvertrag besteht und die Vertragsparteien tarifgebunden sind.

Einschlägiger Tarifvertrag
vorhandenvorhandennicht vorhanden
Vertragspartner tarifgebundenVertragspartner nicht tarifgebunden
tarifliche Vergütungmax. 20 % unter tariflicher Vergütungmax. 20 % unter branchenüblicher Vergütung
§ 17 Abs. 3 BBiG§ 17 Abs. 4 BBiG

sonst Mindestausbildungsvergütung § 17 Abs. 2 BBiG

Eine tarifliche Ausbildungsvergütung ist stets angemessen. Sie muss gezahlt werden, wenn entweder:

  • Sowohl Arbeitgeber als auch Azubi tarifgebunden sind, d.h. Arbeitgeber: Mitglied im Arbeitgeberverband oder Innung, Azubi: Gewerkschaftsmitglied oder
  • der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist oder
  • die Vertragsparteien zwar nicht tarifgebunden sind, aber im Ausbildungsvertrag vereinbart haben, dass der Tarifvertrag gelten soll.

Ändert sich die tarifliche Regelung nach Abschluss des Ausbildungsvertrages, gelten die geänderten tariflichen Vergütungssätze und nicht mehr die im Vertrag aufgeführten Sätze. Insoweit kann sich die Vergütung durch Tarifänderung nachträglich sowohl verbessern als auch verschlechtern.

20 Prozent unter Tarif

Wenn zwar ein (für Branche und Region) einschlägiger, nicht allgemeinverbindlicher Tarifvertrag besteht, mindestens einer der Vertragspartner aber nicht tarifgebunden ist, kann auch eine geringere Vergütung als die tariflich vorgesehene vereinbart werden. Sie darf jedoch maximal 20 Prozent unter den tariflichen Vergütungssätzen liegen.

Zahlt der Betrieb 20 % unter Tarif, muss er Tariferhöhungen insoweit nachvollziehen, dass er max. 20 % unter der Tariferhöhung liegt.

Branchenübliche Vergütung

Besteht dagegen kein auf die Empfehlung einschlägiger Tarifvertrag, ist auf die branchenübliche Vergütung abzustellen. Zu deren Bestimmung kann auf die Empfehlungen der zuständigen Stellen oder der Handwerksinnungen zurückgegriffen werden. Die Vergütungsempfehlung kann sich z.B. an Tarifverträgen ähnlicher Branchen oder an den Durchschnittvergütung aller Ausbildungsberufe der zuständigen Stelle orientieren.

Diese Vergütungsempfehlungen sind trotz ihres Empfehlungscharakters bindend. Vergütungen, die mehr als 20 % unter der branchenüblichen Vergütung liegen, sind deshalb nicht mehr angemessen.



Mindestausbildungsvergütung

Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden und besteht auch keine branchenübliche Vergütung, dann ist als Auffanglösung zumindest die gesetzliche Mindestausbildungsvergütung zu zahlen.

Für das erste Ausbildungsjahr wurde die monatliche MAV bereits bis 2023 festgelegt.

2020 liegt sie bei 515 €, 2021 bei 550 €, 2022 bei 585 €, 2023 bei 620 €. Im weiteren Verlauf der Ausbildung steigt die MAV um 18% im zweiten Jahr, um 35% im dritten Jahr und um 40% im vierten Ausbildungsjahr.

Die Höhe der MAV hängt davon ab, in welchem Kalenderjahr die Ausbildung beginnt. Maßgeblich ist der Vertragsbeginn, nicht der Vertragsabschluss:

Beginn der Ausbildung1. Ausbildungsjahr             (Basisjahr)2. Ausbildungsjahr             (+ 18%)3. Ausbildungsjahr             (+ 35%)4. Ausbildungsjahr             (+ 40%)
01.01.2020515,00 €607,70 €695,25 €721,00 €
01.01.2021550,00 €649,00 €742,50 €770,00 €
01.01.2022585,00 €690,30 €789,75 €819,00 €
01.01.2023620,00 €731,60 €837,00 €868,00 €
01.01.2024649,00 €766,00 €876,00 €909,00 €


Ab dem Jahr 2024 wird die Höhe der Mindestausbildungsvergütung jeweils im Bundesgesetzblatt bekannt gegeben. Sie wird jährlich an die durchschnittliche Entwicklung aller Ausbildungsvergütungen angepasst.

Bei Betriebswechslern und Azubis, die die Ausbildung unterbrechen, ist das Datum des ursprünglichen Ausbildungsbeginns für die Bestimmung der richtigen MAV maßgeblich.

Der Gesetzgeber hat die Rechtsprechung, wonach nicht tarifgebundene Ausbildungsbetriebe von den einschlägigen Tarifverträgen um maximal 20% nach unten abweichen dürfen, ins neue BBiG aufgenommen. In der Praxis bedeutet dies, dass in diesen Betrieben mindestens 80 Prozent der tariflichen Ausbildungsvergütung gezahlt werden muss. Die absolute Untergrenze bleibt weiterhin die Mindestausbildungsvergütung.

Viele tarifliche Vergütungen liegen aber so weit über der MAV, dass diese auch von den nicht tarifgebundenen Betrieben überschritten werden muss.



Vergütung von Überstunden

Der Ausbildungsbetrieb muss eine über die vereinbarte Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung gesondert vergüten oder durch entsprechende Freizeit ausgleichen (§ 17 Abs. 7 BBiG) Dies gilt auch dann, wenn die Mehrbeschäftigung gegen gesetzliche oder tarifliche Regelung verstößt. Der Ausbildungsbetrieb kann zwischen Vergütung und Freizeitausgleich wählen.

Die Höhe der Überstundenvergütung ergibt sich aus dem einschlägigen Tarifvertrag oder aus einzelvertraglichen Regelungen (unter Punkt D des Ausbildungsvertrages). Besteht keine solche Regelung, genügt eine Überstundenbezahlung in Höhe des normalen Stundensatzes, d.h. ohne besonderen Zuschlag.

Beispiel:

Regelmäßige Ausbildungszeit ist im einschlägigen Tarifvertrag auf 7,5 Stunden begrenzt. Erwachsener Auszubildender wird am 25.10.20XX neun Stunden betrieblich ausgebildet.

Ergebnis: 1,5 Stunden sind als Überstunden gesondert zu bezahlen (vgl. Landesarbeitsgericht Düsseldorf, EzB § 10 Abs. 3 BBiG Nr. 1).

Ausnahme:     

Keine Überstundenvergütung, wenn Ausbildungszeit in zulässiger Weise vor- oder nachgeholt wird, da insoweit keine Überstunden vorliegen.

Überstunden dürfen nur angeordnet werden, wenn entweder der Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung dies gestatten. Sonst nicht! Die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten dürfen nicht überschritten werden.

 

Ausbildungsvergütung bei Verkürzung der Ausbildungszeit

Rechnet der Ausbildungsbetrieb berufliche Vorbildung gemäß § 7 Abs. 1 BBiG auf die Ausbildung an, hat der Azubi entsprechend früher Anspruch auf die Vergütung des nächsten Ausbildungsjahres.

Bei der (freiwilligen) Ausbildungszeitverkürzung aufgrund einschlägigen, erfolgreich besuchten Berufsgrundbildungsjahres oder einer Berufsfachschulzeit hat der Azubi damit entsprechend früher Anspruch auf die nächsthöhere Vergütung.

Wird die Ausbildungszeit dagegen aus anderen Gründen verkürzt, hat der Auszubildende nicht entsprechend früher Anspruch auf die Ausbildungsvergütung des 2. bzw. 3. Ausbildungsjahres.

Beispiel:

  1.  Ausbildungsbeginn 01.08.2022 Auszubildender verkürzt Ausbildungszeit aufgrund von Abitur um 1   Jahr. Er hat dennoch erst am 01.08.2023     Anspruch auf die Ausbildungsvergütung des 2.   Ausbildungsjahres.
  2.  Ausbildungsbeginn 01.08.2022 Auszubildender verkürzt am 01.02.2024 nachträglich die   Ausbildungszeit wegen guter Leistung um 1/2 Jahr. Er   hat   dennoch erst am 01.08.2024   Anspruch auf die Vergütung des 3. Ausbildungsjahres.


Ausbildungsvergütung bei Verlängerung der Ausbildungszeit

Der Auszubildende hat für den Verlängerungszeitraum Anspruch auf Ausbildungsvergütung in der zuletzt gewährten Höhe.

Beispiel:

Ausbildungszeit verlängert sich wegen nichtbestandener Prüfung um 1/2 Jahr. Auszubildender erhält weiterhin Vergütung des letzten Ausbildungsjahres, sofern nicht tarifvertraglich etwas anderes vereinbart ist.



Ausbildungsvergütung bei Teilzeitausbildung

Bei einer Teilzeitausbildung nach § 7a BBiG n.F., kann die Ausbildungsvergütung entsprechend der wöchentlichen Ausbildungszeit reduziert werden.

Beispiel:
Bei einer Teilzeitausbildung von 6 Stunden täglich (statt 8 Stunden tgl./40 Stunden wöchentlich) beträgt der Vergütungsanspruch ¾ der Ausbildungsvergütung.

Die Angemessenheit der Vergütung ist ausgeschlossen, wenn die Kürzung der Vergütung prozentual höher ist als die Kürzung der täglichen oder der wöchentlichen Ausbildungszeit.

Unerheblich ist, ob die Berechnung der Teilzeitausbildungsvergütung unterhalb der Mindestausbildungsvergütung führt.



Sachbezüge

Sachleistungen wie z.B. Verpflegung und/oder Unterkunft, die der Betrieb dem Auszubildenden gewährt, können gem. § 17 Abs. 6 BBiG in Höhe der nach § 17 Abs. 1

Satz 1 Nr. 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) jährlich im Voraus festgesetzten Sachbezugswerte auf die Ausbildungsvergütung angerechnet werden, jedoch nicht über 75 % der Bruttovergütung hinaus.

Kann der Auszubildende aus berechtigtem Grund die Sachleistung nicht annehmen (Urlaub, Krankheit), ist ihm für diese Tage der Sachbezugswert anteilig auszuzahlen.

Die aktuellen Werte finden Sie hier.



Anspruch auf schriftliche Lohnabrechnung/ Verdienstbescheinigung

Der Auszubildende hat gemäß §§ 108, 6 Abs. 2 GewO Anspruch auf eine schriftliche Abrechnung der Ausbildungsvergütung. Der Auszubildende soll die Richtigkeit der Vergütungsberechnung überprüfen können und sehen, wie sich der Nettobetrag errechnet.

Die Abrechnung muss daher mindestens Angaben über

  • Abrechnungszeitraum
  • und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten.

Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über

  • Art und Höhe der Zuschläge,
  • Zulagen,
  • sonstige Vergütungen,
  • Art und Höhe der Abzüge,
  • Abschlagszahlungen
  • sowie Vorschüsse

erforderlich.

Die Abzüge sind sämtlich einzeln aufgelistet anzugeben:

  • Lohnsteuer
  • Kirchensteuer
  • Ggf. Solidaritätszuschlag
  • AN-Anteil an Arbeitslosen-/Kranken- und Rentenversicherung
  • sonstige

 

Die Verpflichtung zur Abrechnung besteht zunächst im ersten Ausbildungsmonat, danach jeweils dann, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung geändert haben (§ 108 Abs. 2 GewO), etwa wenn sich die Ausbildungsvergütung oder die Höhe der Lohnsteuer ändert oder Urlaubs- oder Weihnachtsgeld hinzukommt.

Da sich die Vergütung jedenfalls mit Beginn des 1., 2., 3. und ggf. 4. Ausbildungsjahres ändert, muss der Auszubildende also wenigstens im 1. Ausbildungsmonat des 1., 2. und 3. (ggf. auch 4.) Ausbildungsjahres eine schriftliche Lohnabrechnung erhalten.

Zusätzliche Abrechnungen sind erforderlich, wenn sich die monatliche Vergütung aufgrund z.B. von Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Überstundenvergütung ändert.

Im letzteren Fall muss dann auch im Folgemonat, in dem wieder die normale Vergütung ohne Urlaubsgeld gezahlt wird, eine Abrechnung gegenüber dem Auszubildenden erfolgen. Hier reicht aber der Hinweis „Ab Dezember wie bisher (Bezugnahme auf die vorletzte Abrechnung)“.

Außerdem kann der Auszubildende jederzeit eine Verdienstbescheinigung vom Arbeitgeber verlangen, z.B. um einen Dispo-Kredit beantragen zu können. Dies ist eine ausbildungsvertragliche Nebenpflicht des Ausbildungsbetriebes.