Wichtige UrteileÜberbetriebliche Ausbildung

Freistellung
Befreiung von der Freistellungsverpflichtung
ÜBL-Gebühren

Freistellung

  1. Die Freistellungspflicht zur überbetrieblichen Ausbildung beinhaltet nicht nur ein Verbot, diesen Zweck zu unterlaufen. Der zur Freistellung Verpflichtete hat vielmehr in seinem Machtbereich alles Erforderliche zu veranlassen, um die Teilnahme der seinem Betrieb angehörenden Auszubildenden tatsächlich sicherzustellen.

    Auf die Frage, ob die Auszubildenden der überbetrieblichen Ausbildung aufgrund eigener Entscheidung ferngeblieben sind, kommt es nicht an, wenn der Ausbildungsbetrieb seine Freistellungspflicht selbst verletzt hat.

    Wenn ein Ausbildungsbetrieb gegen seine Freistellungspflicht verstößt, handelt es sich um eine Zuwiderhandlung im Sinne des § 112 HwO.

    Das Ordnungsgeld nach § 112 HwO ist eher als besonders ausgestaltetes, der Verwaltungsvollstreckung ähnliches Zwangsmittel denn als straf- oder bußähnliche Sanktion zu qualifizieren. Die Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu fünfhundert Euro ist ein sowohl geeignetes als auch notwendiges Mittel zur Durchsetzung der Verpflichtung des Ausbildungsbetriebs, das ihn auch nicht übermäßig belastet.
    (Verwaltungsgericht Freiburg, Urteil vom 05.10.1982, 6 K 178/81.;abgedruckt in: EzB, § 112 HwO, Nr. 2)

  2. Der Ausbildende ist aufgrund des § 6 Abs. 1 Nr. BBiG und des Vollversammlungsbeschlusses, mit dem die Lehrlingsunterweisung in überbetrieblichen Lehrgängen zu einem obligatorischen Teil der Lehrlingsausbildung bestimmt wurde, verpflichtet, den Lehrlingen eine Ausbildung zukommen zu lassen, die auch den in überbetrieblichen Lehrgängen vermittelten Wissensstoff einschließt.
    (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.10.1979, 2 A 2/78.;abgedruckt in: EzB, § 113 HwO Nr. 3)

  3. Beschließt die Handwerkskammer Maßnahmen der überbetrieblichen Berufsausbildung, so sind die Ausbildenden verpflichtet, ihre Auszubildenden teilnehmen zu lassen.
    Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.09.1976, 10 A 221/75.;abgedruckt in: EzB, § 113 HwO Nr. 2)

*abgedruckt in: EzB = Entscheidungssammlung zum Berufsbildungsrecht, Luchterhand Verlag

Befreiung von der Freistellungsverpflichtung

  1. Es ist ermessensgerecht, die Befreiung des Auszubildenden eines Betriebes von der Pflicht zur Teilnahme an der überbetrieblichen Auszbildung davon abhängig zu machen, dass ersatzweise eine Ausbildung in einer produktionsunabhängigen geeigneten Lehrwerkstatt des Betriebes unter ständiger Anleitung eines für die jeweilige Maßnahme qualifizierten Ausbilders sowohl zeitlich als auch inhaltlich nach den für die überbetriebliche Ausbildung geltenden staatlich anerkannten Lehrplänen erfolgt.
    (Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 15.11.1984, 2 K 179/84;abgedruckt in: EzB, § 91 HwO, Nr. 10)

  2. Es ist rechtlich zulässig, in Ergänzung des Vollversammlungsbeschlusses zur überbetrieblichen Ausbildung durch Vorstandsbeschluss festzulegen, unter welchen Voraussetzungen im einzelnen eine (im Vollversammlungsbeschluß allgemein geregelte) Befreiung von der Teilnahmepflicht an Kursen der überbetrieblichen Unterweisung möglich ist.

    Die Verpflichtung zur Entsendung eines Lehrlings zu einem überbetrieblichen Lehrgang besteht so lange, bis über den Befreiungsantrag des Ausbildenden positiv entschieden worden ist.
    (Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 06.05.1980, 5 VG A 149/78.;abgedruckt in: EzB, § 112 HwO Nr. 1)

*abgedruckt in: EzB = Entscheidungssammlung zum Berufsbildungsrecht, Luchterhand Verlag

ÜBL - Gebühren

  1. Die Kammern sind berechtigt, die durch Zuschüsse und Gebühren nicht gedeckten Kosten der überbetrieblichen Ausbildung als Sonderbeiträge auf die selbständigen Handwerker umzulegen, für deren Handwerk die überbetriebliche Ausbildung durchgeführt wird.

    Bei der Beitragsbemessung sind das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz zu beachten.

    Der Gültigkeit eines von der Kammervollversammlung gefassten Beschlusses über die Festsetzung von Sonderbeiträgen steht nicht entgegen, dass gegen die Wahl der Vollversammlung Einspruch erhoben und hierüber gerichtlich noch nicht entschieden worden ist.
    (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.12.1998, 1 C 7.88.;abgedruckt in: EzB, § 113 HwO Nr. 18)

  2. Zur Finanzierung der überbetrieblichen Ausbildung können auch nicht ausbildende Betriebe der entsprechenden Meisterberufe herangezogen werden.

    Die Handwerkskammer darf den Kreis der Beitragspflichtigen für die überbetriebliche Ausbildung auf diejenigen Betriebe beschränken, für deren Berufe die überbetriebliche Ausbildung stattfindet.
    (Verwaltungsgericht Sigmaringen, Urteil vom 26.10.1998, 7 K 119/98.;abgedruckt in: EzB, § 113 HwO Nr. 17)

  3. Die HwO bietet keine rechtliche Grundlage für die Erhebung eines ,,Solidaritätsbeitrags'' durch handwerksähnliche Betriebe zur Finanzierung der überbetrieblichen Ausbildung. Die Vorschriften über die Berufsbildung im Handwerk gelten grds. nicht für die handwerksähnlichen Gewerbe. Sie können daher an Kosten überbetrieblicher Ausbildungsmaßnahmen nur beteiligt werden, soweit Berufsbildung in nichthandwerklichen Berufen tatsächlich durchgeführt wird.
    (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.08.1997, 1 C 11.95.;abgedruckt in: EzB, § 113 HwO Nr. 15)

  4. Sofern die Gebührenordnung der Handwerkskammer vorsieht, dass die Gebührenschuld des Ausbildenden für die Inanspruchnahme besonderer Einrichtungen oder Tätigkeiten mit der ersten Amtshandlung entsteht, ist diese nicht erst in der ersten Amtshandlung während des im Berufsbildungszentrums ausgerichteten Lehrgangs selbst zu erblicken, sondern spätestens in der an den Ausbildenden gerichteten Lehrgangseinladung.

    Mithin ist der Ausbildende auch dann gebührenpflichtig, wenn dessen Lehrling trotz ordnungsgemäßer Einladung nicht an angeordneten überbetrieblichen Unterweisungsmaßnahmen teilgenommen hat.
    (Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 27.02.1997, 1 K 3204/94.;abgedruckt in: EzB, § 61 HwO Nr. 5)

  5. Eine Handwerkskammer überschreitet bei der Ausgestaltung und Durchführung der überbetrieblichen Ausbildung selbst dann nicht ihre Kompetenz, wenn die in dieser Weise Ausgebildeten einen Gewinn für die gesamte Wirtschaft darstellen.

    Eine Handwerkskammer ist nicht verpflichtet, einen möglichst differenzierten und komplizierten Beitragsschlüssel zur Verteilung ihres beitragsfähigen Aufwands vorzusehen. Sie darf auch möglicherweise weniger vorteilhafte und ausgewogene, vereinfachende Maßstäbe in Betracht ziehen, sofern sich hieraus noch keine groben Ungerechtigkeiten und Unbilligkeiten ergeben.

    Grundsätzlich bestehen keine rechtlichen Bedenken, wenn der Beitrag nicht ausnahmslos linear an den Gewerbesteuermessbetrag anknüpft, sondern nach unten und nach oben sich abschwächt bzw. unter Umständen auch >>gekappt<< wird. Insbesondere besteht rechtlich kein Zwang, die Höhe einer Sonderumlage in jeder Beziehung an den allgemeinen Kammerbeitrag zu binden.
    (Verwaltungsgericht Freiburg, Urteil vom 19.10.1993, 6 K 603/92.;abgedruckt in: EzB, § 112 HwO Nr. 1)

  6. Die überbetriebliche Unterweisung von Lehrlingen gehört zu den gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 1 HwO zugewiesenen Aufgaben der Handwerkskammern.

    Zur Finanzierung der überbetrieblichen Unterweisung von Lehrlingen können die Handwerkskammern Beiträge erheben, sie sind nicht darauf verwiesen, zur Kostendeckung Gebühren zu erheben.
    (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.3.1991, 5 A 560/88;abgedruckt in: EzB, § 91 HwO, Nr. 14)

* EzB = Entscheidungssammlung zum Berufsbildungsrecht, Luchterhand Verlag