In meinem aktuellen Blog schaue ich noch einmal zurück auf das Jahr 2015. Welche Bürokratiemonster haben wir verhindert, wo konnten wir unsere Betriebe unterstützen. Trotz positiver Aussichten: Das starke Handwerk hat eine Schwachstelle. Der Akademisierungswahn führt in eine wirtschaftliche Sackgasse bei unserer Nachwuchssicherung. Mein Vorschlag: Abitur und Gesellenbrief in einem, so können wir leistungsstarke Jugendliche für das Handwerk begeistern. Blog von Hans Peter Wollseifer (14)
Liebe Mitgliedsbetriebe,
es ist schon wieder fast vorbei - das alte Jahr. Erinnern Sie sich noch wie 2015 anfing? Ein Aufschrei ging durch die Wirtschaft: Die neue Arbeitsstättenverordnung. Klos brauchen ein Fenster, alle Spinde abschließbar, 17 Grad Raumtemperatur in Abstellräumen. So sahen die skurrilen Vorschläge zur neuen Verordnung aus. Doppelt so lang wie zuvor. In vielen Fällen mit umfangreichen und teuren Umbauten verbunden.
Erfolge für das Handwerk
Aber nicht mit uns. Das Handwerk forderte Änderungen. Wir tragen grundsätzlich nichts mit, was Bürokratie und Belastung für Betriebe unnötig erhöht. Die Kritik der Wirtschaft und des Handwerks zeigte Wirkung: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles lenkte bei der Arbeitsstättenverordnung ein und kündigte Nachbesserungen an. Wann die Bundesarbeitsministerin nun den neuen Entwurf vorlegt, ist noch unklar. Hoffentlich nie! Auch die überbordende Bürokratie durch die Dokumentationspflichten beim Mindestlohn konnten wir etwas zurückschrauben. Da hatte sich die Bundesarbeitsministerin ebenfalls auf unseren Druck hin bewegt. Auch das Wild-West Szenario in Betrieben, um die Einhaltung des Mindestlohns zu überprüfen, ist vom Tisch. Die Kontrollen durch bewaffnete Zollbeamte hatten bei den betroffenen Unternehmen zu erheblichen Verunsicherungen geführt. Nun wird wieder durch die Mitarbeiter der Gewerbeämter und des Zolls in Zivil geprüft. Das sind nur einige Verbesserungen für unsere kleinen und mittelständischen Betriebe, die wir 2015 durchgesetzt haben.
Starke Wirtschaft mit Schwachstelle
Wirtschaftlich gesehen geht es dem Handwerk so gut wie schon lange nicht mehr. Die Handwerkskonjunktur brummt, die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Niveau seit der Wiedervereinigung. Wir erwarten ein Wirtschafts-Wachstum von 2 Prozent für 2016. Die niedrigen Zinsen, der günstige Eurokurs, ein niedriger Ölpreis und der starke Privatkonsum sorgen weiter für Rückenwind. Allerdings haben wir eine Schwachstelle: Der demografische Wandel. Es mangelt an gut ausgebildetem Nachwuchs. Nicht nur die Zahl der Schulabgänger ist um 12 Prozent gesunken. Erstmals nehmen mehr Schulabgänger ein Studium auf als eine Ausbildung.
Schöne Reden – leere Worte
Dabei wird immer und überall von der Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung gesprochen. Auch die Politik trägt die Gleichwertigkeit wie eine Monstranz vor sich her. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Unsere Betriebe können es leider bestätigen. Eine Ausbildung gilt als 2. Wahl. Als höchste Form der Bildung wird allein das Studium gepriesen. Die jahrelange Propaganda der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat also ihre Wirkung nicht verfehlt: Der Run auf die Hochschulen ist ungebrochen. Mehr als jeder zweite, nämlich 57 Prozent der Schulabgänger, studiert. Klar, dass dieser Trend zu Lasten der beruflichen Bildung geht, was unsere Betriebe deutlich zu spüren bekommen.
Wertschätzung für duale Ausbildung
Wir brauchen beides: gute Akademiker und gute Fachkräfte, die beruflich qualifiziert sind. Also Bachelor und Meister auf Augenhöhe. Doch da ist zurzeit das NRW Wissenschaftsministerium auf dem Holzweg. Es hat den Hochschulen eine Kopfgeldprämie in Aussicht gestellt. Für jeden Studenten, der sein Studium erfolgreich zu Ende bringt, gibt es eine Prämie für die Hochschulen in Höhe von 4.000 Euro! Ein Signal der Landesregierung, das in die falsche Richtung weist. In Wahrheit erhöht ein solcher Vorstoß nur die Ungleichheit von Bildung. Ich glaube, viele übersehen eine ökonomische Tatsache: Zum wirtschaftlichen Erfolg eines Landes trägt ein hoher Anteil von Akademikern nur teilweise bei! Handwerk ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Gerade mittelständische Betriebe und das verarbeitende Gewerbe spielen eine größere Rolle für den wirtschaftlichen Wohlstand einer Gesellschaft. Aber: Akademisierung gegen die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes ist perspektivlos für die Betroffenen, für das Handwerk und die Gesellschaft.
Mehr Geld für Meisteranwärter
Wir müssen mehr Jugendliche in die Betriebe bekommen, die duale Ausbildung stärker in den Fokus der Jugend rücken. Dafür kämpfen wir, dafür werben wir und dafür führen wir viele Gespräche auf allen Ebenen - mit ersten Erfolgen: Seit einem Jahr ist die Kehrtwende geschafft. Im Kölner Kammerbezirk haben sich 6,5 Prozent mehr Schulabgänger für eine Ausbildung im Handwerk entschieden. Erstmals seit vielen Jahren haben wir also ein Plus bei den Ausbildungsverträgen. Das macht uns Mut. Wir werden weiter für eine Anerkennung der beruflichen Bildung kämpfen. Die Anpassung des Meister-BAföGs ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. 2016 wird das Studierenden-BAföG erhöht, das Meister-BAföG zieht mit. Qualifizierte Leute müssen Anreize bekommen und Förderungen erhalten, damit sie den Meister machen können. Das haben wir auf Bundesebene durchgesetzt.
2016 - das Berufsabitur soll kommen
Um mehr Jugendliche an die Karrieremöglichkeiten im Handwerk heranzuführen, wollen wir in der Politik das duale Abitur durchsetzen. Also die Verbindung von Gesellenbrief und Abitur. Das "Berufsabitur", soll an Berufsschulen oder in den Bildungszentren der Handwerkskammern angesiedelt werden, das Vorbild dazu wird bereits erfolgreich in Österreich und in der Schweiz praktiziert.
Es würde auch bei uns leistungsstarke Jugendliche und damit die Qualifiziertesten ins Handwerk locken. Vor allem diejenigen, die sich ansonsten für ein Studium entscheiden würden. Für unser Konzept bekommen wir große Zustimmung von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Mit ihrer Unterstützung wollen wir auch die Kultusministerkonferenz in 2016 überzeugen.
Spitzentreffen der Wirtschaft mit Merkel
Noch vor Weihnachten reise ich nach Berlin zur Kanzlerin. Angela Merkel lädt zum 2. Flüchtlingsgipfel mit den Spitzenvertretern von Wirtschaft- und Sozialverbänden ein. Gerade wir vom Handwerk fordern, in Zusammenarbeit mit Bund und Ländern und der Bundesagentur für Arbeit viele Flüchtlinge schneller in Ausbildung und Qualifizierung zu bringen. Erst letzte Woche wurde ich wieder von Unternehmern angesprochen, die Flüchtlingen sofort eine Arbeitsstelle oder einen Ausbildungsplatz anbieten wollen. Nur wie? An wen können sie sich wenden? Fragen über Fragen, für die wir eine Lösung schnellstens brauchen. Ziel muss es sein, dass die Menschen, die zu uns kommen als Steuer- und Beitragszahler ihren Teil zum Gemeinwesen beitragen.
Ich freue mich schon jetzt auf die Weihnachtszeit mit meiner Familie und wünsche Ihnen ebenfalls besinnliche Tage im Kreise Ihrer Lieben. Sammeln wir Kräfte und Mut für das, was vor uns liegt: ein spannendes und erfolgreiches Jahr 2016 voller Chancen. Wenn Sie zwischen den Tagen ein wenig Zeit finden, freue ich mich auf Ihre Kommentare. Schreiben Sie mir, was Ihre Herausforderungen an die Politik und Wünsche an die Kammer sind wollseifer-blog@hwk-koeln.de
Ihnen frohe Feiertage und kommen Sie gut ins neue Jahr.
Herzlichst Ihr
Hans Peter Wollseifer
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