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Rudolf Wichert
Hans Peter Wollseifer

Warum man in Berlin einen langen Atem braucht, um wichtige Ziele zu erreichen. Wir sind steuerlichen Anreizen für Gebäudesanierung einen Schritt näher gekommen. Erster Erfolg in Brüssel: EU weicht endlich die starre Haltung gegen Meisterbrief als Berufszulassung auf. Und: Handwerker sind keine Melkkühe der öffentlichen Hand. Warum das neue Tariftreue und Vergabegesetz ein Bürokratiemonster ist und Betriebe teuer zu stehen kommt.Blog von Hans Peter Wollseifer (3)

Liebe Mitgliedsbetriebe,

kennen Sie den Unterschied zwischen Politik und Wirtschaft? Ich habe ihn durch meine Arbeit als ZDH Präsident in Berlin kennengelernt: Als Unternehmer merkt man schnell, wo es hakt und will es sofort ändern. Aber in der Politik funktioniert das nicht so. Wer da schnell vorprescht, hat schlechte Karten in Berlin. Also stellen wir lieber auf der sachlichen Ebene fest, was für Handwerk und Wirtschaft passt und was nicht. Glauben Sie mir, da können wir sehr hartnäckig sein, wenn es um das Wohl unserer Mitgliedsbetreibe geht. Aber bei manchem muss man einen sehr langen Atem haben.

Steuerlicher Anreiz zur Gebäudesanierung rückt näher

Seit Jahren fordern wir die Politik auf steuerliche Anreize für die energetische Gebäudesanierung zu schaffen. Bislang ist nichts passiert. Aber jetzt kommt Bewegung in die starre Haltung der Bundesregierung. Der Grund für den Sinneswandel war abzusehen: Deutschland droht die vereinbarten EU- Klimaschutzziele deutlich zu verfehlen. Um einem Klageverfahren der EU Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof zu entgehen, muss die Bundesregierung jetzt handeln. In kurzer Zeit hohe Einspareffekte zu erzielen, dafür ist die Gebäudesanierung das effektivste Mittel. Das Handwerk steht für die Energiewende bereit und unterstützt maßgeblich die Klimaschutzziele der Bundesrepublik Deutschland -- mit Know-how, Beratung und Umsetzung von Energie-Effizienzmaßnahmen. Wir sind der Schlüssel für den Erfolg der Energiewende, aber die Eigentümer von Häuser und Wohnungen müssen mitgenommen werden. Jeder, der seine Immobilie umfassend energetisch modernisiert, sollte einen Teil der Sanierungskosten steuerlich geltend machen können. Denken wir mal weiter: 1 Euro Förderung löst etwa 8 Euro private Investitionen aus. Diese Investitionen gehen zu 90 Prozent in die regionale Wertschöpfung und in den Mittelstand. Das hilft der Energiewende, treibt die Wirtschaft an und führt zu einem Plus an Steuereinnahmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim Zentralverband des deutschen Handwerks in Berlin die Zeichen der Zeit endlich erkannt. In ihrer Rede beim ZDH stellt sie Aktivitäten bei der Verfahrensweise zur Energieeffizienz in Aussicht! Noch etwas nebulös formuliert, gebe ich zu, aber ich vertraue den Worten der Kanzlerin. Nun müssen Taten folgen! Die jahrelange Hängepartie, ob die energetische Gebäudesanierung steuerlich gefördert werden sollte, muss endlich beendet werden. Mit der Kanzlerin habe ich vereinbart, dass wir im Austausch bleiben und nicht locker lassen.

Angriff auf Meisterbrief vorerst gestoppt

Mit großer Sorge blickte ich nach Brüssel. Was braut sich da wieder für das Handwerk zusammen? Die EU Kommission plante, den Meisterbrief als Berufszulassungsvoraussetzung für bestimmte Handwerksberufe in Frage zu stellen. Ich sage nur: Wehret den Anfängen! Wir mussten schon genug Abstriche bei der Meisterpflicht machen. Unter dem Qualitätsverlust leiden wir noch immer. Immerhin gibt es jetzt ein positives Signal aus Brüssel – jedenfalls werte ich es so. Die länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Rates enthalten keine Forderungen mehr, die das Berufszugangssystem im deutschen Handwerk betreffen. Das ist ein gutes Zeichen, aber ein abgebrochener Angriff ist noch keine gewonnene Schlacht. Zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel arbeiten wir an einer gemeinsamen Strategie, die wir im November beim Treffen mit der EU Kommission einbringen werden. Aber wir haben jetzt Rückenwind für die anstehende Überprüfung der zulassungspflichtigen Handwerksberufe, zu der uns Brüssel verdonnert hat.
Auch die Bundeskanzlerin hat ihre Unterstützung für den Erhalt des Meisterbriefs als Berufszugang versichert. So ihre Worte in Berlin vor den Vollversammlungsmitgliedern des ZDH. Angela Merkel will den EU-Kommissaren deutlich machen, wie unverzichtbar der Meisterbrief als Berufszugang ist. Das ist genau unsere Linie. Der Meisterbrief soll auch in Zukunft als Gütesiegel für qualifizierte Handwerker in Deutschland gelten.

Bürokratiemonster muss weg

Die Klagen über das Tariftreue und Vergabegesetz, kurz TVgG NRW, häufen sich. Grund: zusätzlicher bürokratischer Aufwand bei der Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen. Viele Betriebe zeigen sich durch die neuen Nachweispflichten verunsichert. Die Kritik der Betriebe und Kammern richtet sich vor allem gegen die Einhaltung der sogenannten ILO-Arbeitsnormen, wie z.B. das Verbot von Diskriminierung sowie Kinder- und Zwangsarbeit. Was für ein Aufwand! Wer kann das schon überprüfen? Einige öffentliche Auftraggeber haben dazu offenbar auch keine Lust. Sie wälzen den ganzen Bürokratieberg auf die Betriebe ab. Verschiedene Stadtwerke nehmen bei Vergabeverfahren jetzt eigene Präqualifizierungsstellen nur für das neue Gesetz in Anspruch. Dafür wird der örtliche Handwerker noch zu Kasse gebeten. Anderenfalls droht der Ausschluss vom Vergabeverfahren. Ein Unding! Unsere Handwerksbetriebe sind nicht die Melkkühe für unsinnige Regelwerke und deren Auswüchse. Mit dieser Bürokratisierung des Vergabeverfahrens hat es die Landesregierung wieder einmal geschafft, die öffentliche Auftragsvergabe für Handwerksunternehmen noch unattraktiver zu machen als bisher. Unser Ziel ist es daher, das Gesetz zu ändern. Unsere Chancen dafür stehen gut, denn das NRW Wirtschaftsministerium prüft gerade das umstrittene Vergabegesetz. Nun sind wir als Kammer aufgefordert, die schlechten Erfahrungen der Betriebe der Landesregierung zu melden. Teilen Sie uns Ihre Meinung und konkreten Erfahrungen zum TVgG mit. Nur wenn wir zusammenhandeln, können wir etwas ändern.

Tag des Handwerks

Voll, lebhaft und erfolgreich – so war unser Tag des Handwerks auf dem Heumarkt. 10.000 Menschen, darunter viele Jugendliche konnten wir mit unserem abwechslungsreichen Programm begeistern. Für uns als Kammer war es eine gelungene Werbung für das Handwerk. Zusammen mit der neuen Kampagne konzentrieren wir uns damit ganz gezielt auf den Nachwuchs. Wir wollen sie von der Vielfalt und Modernität der Handwerksberufe überzeugen.
Dank an alle, die dazu beigetragen haben.

Ich freue mich auf Ihre Meinungen und Erfahrungen: wollseifer-blog@hwk-koeln.de

Herzliche Grüße
Ihr
Hans Peter Wollseifer