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Rudolf Wichert
Hans Peter Wollseifer

Ein Blick auf unseren Kammerbezirk. Was läuft gut, was noch nicht. Gas geben beim Breitbandausbau: Warum das moderne Handwerk dringend ein schnelles Internet auch im ländlichen Raum braucht. Mehr für den Mittelstand: Warum wir bei der Kölner Stadtverwaltung eine mittelstandsfeindliche Politik kritisieren und warum Kommunen nicht automatisch günstigere Unternehmer sind. Kein ÖPP mit uns: Dem Kölner Handwerk und seinen Betrieben entgehen 160 Millionen Euro durch Vergaben an öffentlich-Private Partnerschaften. Finger weg von der Steuerschraube und der Erhöhung der Grundsteuer: Der Haushalt der Kommunen darf nicht auf dem Rücken der Betriebe saniert werden.Blog von Hans Peter Wollseifer (9)

Liebe Mitgliedsbetriebe,

ein schnelles Internet ist wie ein schnelles Auto. Wer mehr PS hat, ist eher am Ziel - vorausgesetzt die Straßen sind mal frei. Erfreulich ist, dass beim schnellen Internet die Städte Köln, Bonn und, man höre und staune, Burscheid ganz weit vorne liegen. Dort ist flächendeckend eine Datenübertragungsgeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde verfügbar. Gut. Und im Rest der Landes? Da ist man vielerorts noch digital wie mit dem Trecker unterwegs. Es darf aber nicht sein, dass unsere Betriebe im ländlichen Raum im Wettbewerb um Aufträge und Ausführung abgehängt werden. Wir brauchen im digitalen Zeitalter eine flächendeckende Breitbandversorgung. Und zwar zügig. Ich bin der Meinung, die Politik muss das Handwerk mit seinen kleinen und mittleren Betrieben, die eben keine eigene IT-Abteilung haben wie große Industriebetriebe, stärker in den Blick nehmen. Bei der Mammutaufgabe Digitalisierung und Handwerk 4.0 wollen wir ein starker Partner für unsere Betriebe sein.

Mehr für den Mittelstand

Ein weiteres Ziel, nicht minder groß, ist es endlich eine mittelstandfreundlichere Politik hinzubekommen. In vielen Städten des Kammerbezirks hat sich eine
Mittelstandsorientierte Kommunalpolitik schon durchgesetzt. Nur leider hapert es mancherorts an der konkreten Umsetzung, vor allem in Köln. Dort weigert sich die Stadtverwaltung, trotz Ratsbeschluss, Aufträge über beschränkte Ausschreibungen zu vergeben. Das ist ein eklatanter Vorstoß gegen alle Grundsätze der Mittelstandförderung. Wir sagen: beschränkte Ausschreibungen sind positiv. Sie sollten so schnell wie möglich wieder bis zu einer Vergabegrenze von 500.000 Euro eingeführt werden. Das Handwerk stellt in Köln immer Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung. Aber wenn es um Ausschreibungen geht, dann sollen nationale und europaweite Ausschreibungen der Maßstab sein? Das passt doch vorne und hinten nicht zusammen. Immerhin gibt es nun auf Druck der Kammer ein Gespräch über die Zukunft der beschränkten Ausschreibungen in Köln. Ein weiterer Punkt auf dem beschwerlichen Weg: Wir haben erfolgreich verhindert, dass Stadtwerke Handwerksbetrieben in unserem Kammerbezirk starke Konkurrenz machen. Unsere Haltung ist: Privat vor Staat. Denn wir gehen davon aus, dass der Staat kein guter Unternehmer ist. Leider gibt es immer wieder Einzelfälle. So plant die Stadt Köln die Reinigung städtischer Immobilien von eigenen Reinigungskräften vornehmen zu lassen. Eine solche Entwicklung würde unsere Gebäudereiniger-Unternehmen hart treffen. Sie bedeutet immer einen Verlust von Arbeitsplätzen. Und billiger kommt es die Stadt auch nicht, wie wir nachgerechnet haben. Die Behauptung der Stadtverwaltung, die Eigenreinigung sei günstiger als die Vergabe an Privatfirmen, ist schlichtweg falsch.

Kein ÖPP mit uns

Mit unserer Arbeit haben wir erreicht, dass keine Aufträge über ÖPP, also Öffentlich-Private-Partnerschaft, vergeben werden sollen. Die Parteien im Stadtrat haben uns zugesichert, dass sie ÖPP-Vergaben kritisch gegenüberstehen. Umso ärgerlicher ist es, dass die Stadtverwaltung plant insgesamt 160 Millionen Euro in ÖPP zu vergeben. Geld, das Kölner Betrieben durch die Lappen geht. 91 Millionen Euro sind bereits für die Sanierung von fünf Kölner Schulen beschlossen. Da haben kleine und mittlere Betriebe keine Chance sich an den Sanierungsmaßnahmen zu beteiligen. Jetzt stößt die Stadtverwaltung den Handwerksbetrieben erneut vor den Kopf: Für 67 Millionen Euro soll ein neuer Großmarkt in Marsdorf im Rahmen einer Öffentlich–Privaten Partnerschaft gebaut werden. Geld, das wieder nicht bei unseren Betrieben ankommt. Es ist beschämend, dass eine Stadt ihre Gewerbetreibenden so behandelt. ÖPP ist für die Stadt und für die Kölner Handwerksbetriebe ein Verlustgeschäft. Denn bei der momentanen Niedrigzinsphase können Kommunen zu unschlagbaren Konditionen Baukredite aufnehmen. Warum tut Köln es nicht? Wir fordern, den neuen Großmarkt nicht im ÖPP- Verfahren zu bauen. Erste Erfolge zeigen sich. Die Stadt bietet uns Gespräche an.

Finger weg von der Steuerschraube

Weiterhin kämpfe ich für angemessene Rahmenbedingungen und einen verträgliche Steuerlast der Betriebe. Köln hat da erfreulicherweise noch nicht an der Steuerschraube gedreht. Dafür geht’s aber im Rest des Kammerbezirks los. Zahlreiche Kommunen planen die Grundsteuer B zum Teil drastisch anzuheben. In Bonn um 300 Prozentpunkte, was einer Erhöhung der Grundsteuerbelastung unserer Bonner Unternehmen um rund 57 Prozent entspricht. Die Stadt Siegburg hebt von 460 auf 790 Prozentpunkte und damit um rund 72 Prozent an. Die Stadt Hückeswagen gönnt sich eine Erhöhung um 290 Prozentpunkte - entspricht 67 Prozent. Das Augenmaß völlig verloren hat im Kammerbezirk die Stadt Overath. Mit einer Anhebung des Grundsteuerhebesatzes von 480 auf 850 Prozentpunkte steigt die Grundsteuerbelastung der Handwerksbetriebe dort um fast 80 Prozent! Ich finde das schlichtweg maßlos. Die gestiegene finanzielle Belastung unserer Betriebe durch Drehen an der kommunalen Steuerschraube müssten die Betriebe eigentlich an die Kunden weitergeben. Das geht aber nicht. Auch in Zeiten einer guten Konjunktur stehen die Betriebe in unserer Region im Wettbewerb mit Unternehmen aus der Eifel oder dem Osten Deutschlands, manche sogar im internationalen Wettbewerb. Deswegen muss zum Wohle der Unternehmen bei der Steuererhebung schnell gegengesteuert werden. Wir warnen die Politik vor der Versuchung, mit der Grundsteuer-Erhebung den Haushalt zu sanieren. Die Politik muss den Mut haben, notwendige Einsparungen durchzusetzen und nicht allein an der Einnahmenschraube zu drehen. Am Ende schneiden sich die Kommunen dann doch ins eigene Fleisch. Die Betriebe wandern ab. Im Bonner Fall zieht es schon Unternehmen nach Rheinland-Pfalz.

Liebe Mitgliedsbetriebe, das sind einige meiner Ziele für die Zukunft. Ich danke Ihnen für das Vertrauen, dass Sie mir als Kammerpräsident geschenkt haben. Ich möchte auch die nächsten fünf Jahre weiter mit Leidenschaft für die Interessen unserer Mitgliedsbetriebe kämpfen. Schließen möchte ich meinen Blog mit meinem Lieblingszitat von Goethe, das mir immer wieder Mut macht:
„Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.“

In diesem Sinne verbleibe ich
Herzlichst Ihr
Hans Peter Wollseifer