Netzwerk: Digitalisierung macht sich im Handwerk bemerkbar
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Netzwerk: Digitalisierung macht sich im Handwerk bemerkbar

Die Digitalisierung verändert gleichermaßen das Arbeitsleben und die Berufsausbildung. Ein Elektroniker greift einerseits zum Beispiel ebenso oft zum Tablet wie zum Lötkolben. Elektronischer Lehrvertrag: Seit kurzem können Ausbildungsbetriebe andererseits auch das Formular zur Anmeldung eines neuen Ausbildungsverhältnisse online ausfüllen.Digitalisierung verändert die Inhalte der Berufsausbildung

Die Digitalisierung verändert gleichermaßen das Arbeitsleben und die Berufsausbildung. Ein Elektroniker greift im Alltag ebenso oft zum Tablet wie zum Lötkolben; zudem muss er sich neuen Anforderungen bei IT-Vernetzung und Datenmanagement stellen. Ein Tischler muss heute selbstverständlich auch mit einer computergesteuerten CNC-Säge umgehen können. Der Einsatz von CNC-Technologie ist im Metallsektor ebenfalls nicht mehr wegzudenken, insbesondere bei den Feinwerk- und Zerspanungsmechanikern. Maler und Lackierer nutzen heute digitale Anwendungen, um Farben zu mischen.

"Früher wurden die Kenntnisse für die Bedienung einer CNC-Maschine erst im Rahmen der Weiterbildung vermittelt, heute integrieren wir das nach und nach in die Berufsausbildung", erläutert Dr. Markus Eickhoff, stellvertretender Geschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln. Dementsprechend steigen in vielen Ausbildungsberufen die Anforderungen an die Lehrlinge. Handwerksunternehmen sind verstärkt daran interessiert, Abiturienten auszubilden. Jeder fünfte Jugendliche, der im vergangenen Jahr seine Ausbildung im Handwerk der Region Köln-Bonn begonnen hat, bringt das Abitur mit. Innerhalb weniger Jahre ist die Abiturientenquote spürbar gestiegen, von sechs Prozent im Jahr 2010 über 16 Prozent im Jahr 2014 auf inzwischen 19,8 Prozent. 

Die Digitalisierung verändert nicht nur die Inhalte der Berufsausbildung. Ebenfalls bei der Gewinnung von Nachwuchskräften verliert das Papier an Bedeutung: Statt Broschüren zu lesen, informieren sich Jugendliche im Internet über Ausbildungsberufe und bevorzugen die digitale Bewerbung um eine Lehrstelle, beispielsweise über WhatsApp. "Wir empfehlen daher den Handwerksunternehmen, die junge Menschen für eine Ausbildung gewinnen wollen, auch auf die beliebten Social-Media-Kanäle wie Facebook, YouTube, Instagram etc. zu setzen", so Eickhoff.

Nachdem das Handwerksunternehmen und der Jugendliche einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, kann der Unternehmer das Formular, mit dem das neu abgeschlossene Ausbildungsverhältnis der Handwerkskammer gemeldet wird, seit kurzem online ausfüllen. In der vergangenen Woche hat die Handwerkskammer alle Ausbildungsbetriebe in der Region Köln-Bonn angeschrieben, um sie über diese elektronische Anmeldung eines Ausbildungsverhältnisses zu informieren. Das online-Verfahren hat mehrere Vorteile: Das Unternehmen, das bei der Handwerkskammer ein sogenanntes Kundenkonto unterhält, kann die gleichbleibenden Angaben (Namen des Ausbildungsbetriebs und des Ausbilders, Adressen, Kontaktdaten) aus diesem Kundenkonto übernehmen, das beschleunigt das Ausfüllen des Formulars. Zudem reduziert sich die Zahl der fehlerhaft und unvollständig ausgefüllten Anmeldungen eines Lehrvertrags, weil das Abschicken des Formulars erst möglich ist, wenn alle Pflichtfelder ausgefüllt sind, und weil im EDV-System zentrale Informationen, wie beispielsweise die Ausbildungsdauer des gewählten Berufs, hinterlegt sind.

Auch in der beruflichen Weiterbildung gewinnt die Digitalisierung an Bedeutung: Die Präsenzphasen von Lehrgängen verringern sich, verstärkt können die Lehrgangsteilnehmer von zu Hause aus lernen, am PC mit (hoffentlich schnellem) Internetzugang. Beim "trialen Studium", das die Handwerkskammer zu Köln in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule des Mittelstands anbietet, wird die Ausbildung in einem Handwerksberuf mit der Weiterbildung zum Meister und mit dem Bachelor-Studiengang "Handwerksmanagement" kombiniert. Dabei werden bei diesem FH-Studium regelmäßig online-Lernphasen eingesetzt. 

Das "triale Studium" ist eine spezielle Entwicklung der Handwerkskammer zu Köln. Bei einem weiteren innovativen Bildungsgang, der zum Beginn des Schuljahres 2018/19 in Kooperation mit dem Heinrich-Hertz-Europakolleg in Bonn starten soll, greift die Kölner Kammer auf ein Modell zurück, das der Zentralverband des Deutschen Handwerks mit der Kultusministerkonferenz entwickelt hat. Bei diesem neuen doppeltqualifizierenden Bildungsgang wird die Berufsausbildung in einem Handwerksbetrieb mit dem Abitur kombiniert. Jugendliche, die im Herbst mit der Ausbildung zum Elektroniker beginnen, werden im Europakolleg den auf das Abitur vorbereitenden Schulunterricht besuchen und parallel dazu eine Lehre in einem im Kammerbezirk Köln ansässigen Elektrobetrieb absolvieren. Die Elektrobetriebe haben bereits mehr Ausbildungsplätze für dieses Modellprojekt gemeldet, als für eine Eingangsklasse im Berufskolleg erforderlich sind. "Jetzt suchen wir die leistungsorientierten Schüler, die innerhalb von vier Jahren sowohl die Ausbildung zum Elektroniker als auch das Abitur schaffen wollen", teilt Eickhoff mit. 

Die Handwerkskammer bietet unter anderem deswegen das "triale Studium" und den neuen Bildungsgang "BerufsAbitur" an, um die Ausbildung im dualen System noch attraktiver zu gestalten. Zur Herausstellung der Zukunftschancen, die die berufliche Bildung eröffnet, dient auch eine Studie des Forschungsinstituts für Berufsbildung im Handwerk (FBH) an der Universität zu Köln: Bei einer Umfrage unter mehr als 1.000 Meistern und Meisterinnen fünf Jahre nach ihrer Meisterprüfung wurde 2017 ermittelt, welche Ziele den Lehrgangsteilnehmern besonders wichtig waren. Auf den ersten drei Plätzen stehen die Antworten, dass man mit dem Meisterabschluss 1.) Aufstiegschancen verbessern will, 2.) ein höheres Einkommen realisieren will und 3.) als Meister Entscheidungen eigenständig treffen will. Rolf Rehbold, stellvertretender Direktor des Kölner Forschungsinstituts, erläuterte, dass bei diesen drei Zielen, die den Meisterabsolventen besonders wichtig sind, eine hohe Zufriedenheit erreicht werden konnte. Auf einer Skala von 0 (= überhaupt nicht verwirklicht) bis 5 (= vollständig verwirklicht) stuften die befragten Meisterinnen und Meister ein, inwieweit sie mit der Weiterbildung zum Meister ihre Ziele erreicht hatten. Sie bewerteten die Zielerreichung beim Ziel "Aufstiegschancen verbessern" durchschnittlich mit 3,90, beim Ziel "höheres Einkommen" mit 3,59, beim Ziel "eigene Entscheidungen treffen" mit 4,01. 

Diese Zukunftschancen gilt es, den jungen Menschen, ihren Eltern und Bezugspersonen (Lehrern, Freunden) transparent zu machen. So strebt die Handwerkskammer auch die Kooperation mit Schulen an, um im Rahmen von Berufsinformationsveranstaltungen die Entwicklungsmöglichkeiten im Handwerk zu präsentieren. Das FBH hat hier in einer Studie die Möglichkeiten und Grenzen von Kooperationen erkundet und Handlungsvorschläge dafür entwickelt, wie Lehrende, Schüler und das Handwerk von einer Zusammenarbeit profitieren können. 

Bei einem weiteren Projekt des FBH ging es um die Einführung von digital gestütztem Lernen in Arbeitsprozessen des Handwerks im Rahmen der Aufstiegsfortbildung "Geprüfter Betriebswirt/Geprüfte Betriebswirtin nach der Handwerksordnung". Das im Projekt definierte Ziel des problem- und situationsorientierte Lernens soll dadurch erreicht werden, dass die realen betrieblichen Problemstellungen analysiert und in Form von situierten Problemstellungen in vier Musterbetrieben didaktisch und multimedial mit authentischen Unterlagen aufbereitet werden. Praxisnahe betriebliche Herausforderungen im Innovationsmanagement werden für die induktive Vorgehensweise einer Problemlöseinstruktion aufbereitet und durch die Lernenden innerhalb des zugeordneten Musternehmens bearbeitet. Dadurch werden Bezüge zum beruflichen Alltag deutlich und der Transfer des Erlernten in die Anwendungssituation erleichtert. Die bei diesem Projekt "DiLiAH" erstellte Lernplattform bietet verschiedene Interaktionsoptionen für einzelne Lernende, Lerngruppen und ehemalige Kursteilnehmer bzw. Absolventen der Aufstiegsfortbildung, vom einfachen Abruf der Informationen bis hin zur Erfassung eigener betrieblicher Problemstellungen und Unternehmensdaten. Insbesondere durch die integrierten synchronen und asynchronen Kommunikationsmöglichkeiten werden sowohl Selbststeuerung als auch kollaboratives Lernen unterstützt.