Kein 100 %-iger Verlass auf DIN-Vorschriften

Immer wieder trifft man in der Beratungspraxis auf die Ansicht, bei Einhaltung einer DIN-Vorschrift könne eine Werkleistung nicht mangelhaft sein.

Dass dies nicht zutrifft, musste kürzlich auch ein Unternehmen erfahren, welches für den Auftraggeber eine Treppe gebaut hatte. Die Treppe war zwar unter Einhaltung der Vorgaben aus der einschlägigen DIN-Vorschrift gebaut worden, erreichte jedoch nicht den Optimalwert beim Schrittmaß der Stufen von über 63 cm. Die Folge war, dass das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg dem Auftraggeber entsprechende Mängelgewährleistungsrechte zusprach.

Das Gericht ging in seiner Entscheidung auf die Bedeutung der DIN-Vorgaben im Zusammenhang mit der Beurteilung einer mangelhaften Werkleistung ein und gab folgende Grundsätze hierzu an:

Ganz maßgeblich gelte zunächst das, was zwischen den Parteien vereinbart ist. Hieraus ergebe sich für den Werkunternehmer der seinerseits geschuldete Erfolg der Werkleistung. Hätten die Parteien im vorliegenden Fall beispielsweise ein bestimmtes Schrittmaß ausdrücklich vereinbart, so hätte der Treppenbauer nur genau dieses geschuldet.

Liegt eine solche Vereinbarung nicht vor, werde der Erfolg einer Werkleistung maßgeblich von den allgemeinen Regeln der Technik bestimmt. Diese allgemeinen Regeln der Technik werden zwar in den DIN-Vorschriften konkretisiert; für DIN-Normen bestehe lediglich die widerlegbare Vermutung, dass sie die allgemein anerkannten Regeln wiedergeben.

Im Umkehrschluss heiße dies jedoch nicht, dass bei Einhaltung der DIN-Vorschriften der Werkunternehmer mangelfrei gearbeitet habe. Denn in vielen Fällen blieben die DIN-Bestimmungen hinter den allgemein anerkannten Regeln der Technik zurück, da sie nur den vertraglich geschuldeten Mindeststandard wiedergeben. Entscheidend für die Beurteilung der Mangelfreiheit einer Werkleistung seien maßgeblich die gesamten Umstände des Vertrages wie z. B. auch die örtlichen Gegebenheiten.

Im konkreten Fall hatte es sich bei dem Gebäude, in dem die Treppe verbaut worden war, um eine hochwertige Immobilie in einer bevorzugten Lage mit entsprechend hohem Preis gehandelt. Das Gericht war deshalb der Ansicht, dass in einem solchen Fall eines gehobenen Objektes der Auftraggeber auch eine Qualität verlangen kann, die über das die Einhaltung der Regeln der Technik abgesicherte Mindestmaß hinausgeht. Insofern sah das Gericht ein bequemeres Schrittmaß von 63 cm als das geschuldete an und bewertete die vom Werkunternehmer hergestellte Treppe deshalb als mangelhaft.

(OLG Brandenburg, Urt. vom 26.09.2013 - 12 U 115/12)

 

 

RAin S. Schönewald, 11.02.2014