Auspuff
Wolfgang Zwanzger - stock.adobe.com (195050811)

Die Diskussion um Dieselfahrverbote spitzt sich weiter zu. Am 8. November werden vor dem Verwaltungsgericht Köln die Luftreinhaltepläne Köln und Bonn in einer mündlichen Verhandlung richterlich geprüft. Die Handwerkskammer zu Köln fordert neue Messpunkte und eine Berücksichtigung bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichts.Stickoxidmessungen vom LANUV fehlerhaft

Handwerkskammer führt den Nachweis: Stickoxidmessungen vom LANUV fehlerhaft

Weltrich fordert neue Messpunkte und Berücksichtigung bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichts Köln

Die Diskussion um Dieselfahrverbote spitzt sich nach den letzten Urteilen der Verwaltungsgerichte weiter zu. Am 8. November werden vor dem Verwaltungsgericht Köln die Luftreinhaltepläne Köln und Bonn in einer mündlichen Verhandlung richterlich geprüft. Die Deutsche Umwelthilfe hat das Land NRW in beiden Fällen verklagt. Hintergrund ist die Überschreitung des Stickstoffdioxidgrenzwertes (NO2-Grenzwert) von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/cbm) in den Innenstädten der beiden Rheinmetropolen. Sowohl der Luftreinhalteplan für die Stadt Bonn (LRP Bonn) als auch der für Köln (LRP Köln) sind derzeit in der Überarbeitung. Der Entwurf für die zweite Fortschreibung des LRP Bonn ist bereits seit dem 15. Oktober in der Offenlage. Bis zwei Wochen nach Ende der Auslegungsfrist (bis 15. November) kann jeder schriftlich oder elektronisch zu dem Entwurf Stellung nehmen. Die Handwerkskammer hat ihre schriftliche Stellungnahme bereits an die Bezirksregierung Köln gerichtet. Der Entwurf für die Fortschreibung des Kölner Luftreinhalteplans ist hingegen noch nicht im Beteiligungsverfahren.

Der Entwurf des LRP Bonn sieht keine Fahrverbote vor. Zwar lagen die NO2-Immissionen in der Reuterstraße in 2017 bei 47 µg/cbm und am Belderberg bei 42 µg/cbm, aber Bezirksregierung und Stadt gehen davon aus, dass bis 2020 ohne weitere Maßnahmen in der Reuterstraße 42 µg/cbm und am Belderberg 41 µg/cbm erreicht werden. Um die Belastung unter den Grenzwert zu senken, sind im Luftreinhalteplan unter anderem die beim jüngsten Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen wie Softwareupdates und Diesel-Umtauschaktionen aufgenommen und deren Wirkungspotenzial berechnet worden. Zusammen mit den seitens der Stadt Bonn vorgesehenen Maßnahmen, wie zum Beispiel die Nachrüstung aller Euro-V-Busse mit SCR/SCRT-Filtersystemen, ein vergünstigtes 365-Euro-Jahresticket für den ÖPNV und attraktivere Jobtickets sowie der Ausbau des Radwegenetzes soll der Grenzwert sowohl in der Reuterstraße als auch am Belderberg 2020 eingehalten werden. Grundsätzlich begrüßt die Handwerkskammer die Maßnahmen, die auf dem "Masterplan Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020", der Modellstadt Bonn ("Lead City") und dem Konzept der "Emissionsfreien Innenstadt" basieren. "Die Änderung des Modalsplits unter anderem durch die Einführung des 365-Euro-Jahrestickets, die Verflüssigung des Verkehrs, die bessere Verzahnung der verschiedenen Verkehrsträger und die Förderung emissionsarmer Antriebe sehen wir als wirkungsvolle Maßnahmen. Es ist aus unserer Sicht jedoch unerlässlich, dass diese Maßnahmen auch nach Ende der Förderphasen weiter umgesetzt werden. Zudem ist noch zu prüfen, inwieweit die LKW im städtischen Fuhrpark mit Filtersystemen nachgerüstet werden können. Sonst drohen am Ende doch noch Fahrverbote", so Dr. Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln.

Für mangelhaft hält der Kammervertreter die Ausarbeitung der seitens der Gerichte geforderten vorsorglichen Fahrverbotsszenarien. "Wir sind strikt gegen Fahrverbote, weil sie aus unserer Sicht unverhältnismäßig sind. Ich halte es aber für fahrlässig, dass bei der vorsorglichen Berechnung von Minderungspotenzialen durch Fahrverbote 'schwere' LKW über 7,5 Tonnen ausgeklammert werden. Sie tragen zu fünf bis sechs Prozent zu den NO2-Immissionen an den Hotspots bei und damit rund doppelt so viel wie die 'leichten' Nutzfahrzeuge des Handwerks", mahnt Weltrich.

Kritischer als in Bonn sieht die Situation in Köln aus. An mehreren Stellen im Stadtgebiet wird laut Messungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW) der NO2-Grenzwert, am Clevischen Ring mit 62 µg/cbm sogar deutlich, überschritten. Genau diese Messungen sind es aber, die die Handwerkskammer zu Köln in den letzten Wochen immer wieder angezweifelt hat. "Wir haben uns die Messstellen in Köln alle angesehen. Einige sind unseres Erachtens rechtlich bedenklich. Der Messcontainer am Clevischen Ring ist direkt auf der Straße in einer Parktasche aufgestellt und dazu noch unter Bäumen. Das entspricht nicht den Vorgaben der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung (39. BImSchV)", so Weltrich. Die Handwerkskammer weist darauf hin, dass es in Anlage 3, Abschnitt C dieser Verordnung unter Kleinräumige Ortsbestimmung der Probenahmestellen wörtlich heißt: "Im Umfeld des Messeinlasses dürfen keine Hindernisse vorhanden sein, die den Luftstrom beeinflussen, das heißt, der Messeinlass soll einige Meter von Gebäuden, Balkonen, Bäumen und anderen Hindernissen entfernt sein". Die Handwerkskammer führt deshalb seit August eigene NO2-Messungen durch, und zwar an fünf Messstellen, an denen das LANUV Grenzwertüberschreitungen festgestellt hat. Das sind die Messstellen Justinianstraße, Neumarkt, Luxemburger Straße, Clevischer Ring und Aachener Straße. Auch die Anordnung der LANUV-Messstelle in der Aachener Straße unmittelbar an der Bushaltestelle bzw. am Busbahnhof, damit unmittelbar an einer Emissionsquelle, moniert Weltrich. Auch das sei aus Sicht der 39. BImSchV nicht zulässig.

Die NO2-Messungen führt die Handwerkskammer mit Passivsammlern durch, die auch vom LANUV eingesetzt werden. Die Proben werden von dem Labor ausgewertet, das auch die LANUV-Daten auswertet. Allein die Anordnung der Probenahmestellen unterscheidet sich von der des LANUV. Die Handwerkskammer hat ihre Passivsammler exakt den Vorschriften der 39. BImSchV entsprechend installiert. Weltrich: "Wir können momentan nur die NO2-Werte am Clevischen Ring mit denen des LANUV vergleichen. Das ist darin begründet, dass das LANUV nur an einem der fünf Messpunkte, nämlich am Clevischen Ring, mittels Messcontainer kontinuierlich misst. An den anderen vier Messpunkten wird diskontinuierlich mit Passivsammlern gemessen. Da liegen uns noch keine Vergleichswerte vom LANUV vor. Am Clevischen Ring können wir die Werte nach den ersten drei Messmonaten August, September und Oktober vergleichen. Im August haben wir einen Durchschnittswert von 48,5 µg/cbm, das LANUV 60,4 µg/cbm ermittelt. Im September lag unser Monatsdurchschnittswert bei 54,3 µg/cbm, beim LANUV bei 66,5 µg/cbm. Im Oktober konnten wir eine NO2-Konzentration von 51,1 µg/cbm feststellen, die LANUV-Messstelle weist im gleichen Zeitraum eine Konzentration von 60,4 µg/cbm aus. Der Unterschied ist deutlich. Auch aufgrund dieser Tatsache halten wir in Köln Dieselfahrverbote für unverhältnismäßig und haben eine Schutzschrift erstellt und sie dem Verwaltungsgericht Köln mit der Bitte zukommen lassen, die Handwerkskammer zu Köln beim Verfahren zum Luftreinhalteplan Köln am 8. November beizuladen."

Mittels der Schutzschrift will die Kammer die Interessen ihrer rund 33.000 Mitgliedsunternehmen auch vor Gericht wahren und von ihr als unverhältnismäßig eingestufte Fahrverbote verhindern. Die rund 33.000 Mitgliedsbetriebe der Handwerkskammer nutzen in weit überwiegendem Maße leichte Nutzfahrzeuge. Insgesamt ca. 80.000 leichte Dieselnutzfahrzeuge des Handwerks wären von einem Dieselfahrverbot betroffen. Die Handwerkskammer hat auch vor dem Hintergrund, dass die leichten Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen nur zu zwei bis drei Prozent zu den NO2-Belastungen an den Hotspots beitragen, an das Verwaltungsgericht Köln appelliert, neue NO2-Messungen anzuordnen, bevor es per Fahrverbot zu massiven Eingriffen in die verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechte der Unternehmen und Bürger kommt.