Ratgeber AusbildungsrechtVerkürzung / Verlängerung der Ausbildungsdauer

Grundsätzlich muss die in der Ausbildungsordnung vorgegebene Ausbildungsdauer eingehalten werden. Betrieb und Auszubildende können vertraglich keine abweichende Ausbildungsdauer vereinbaren. Diese kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen von der Handwerkskammer auf Antrag verkürzt oder verlängert werden. Antragsformulare finden Sie hier

Stimmt die Handwerkskammer dem Antrag zu, wird die Ausbildungszeit dann hoheitlich geändert.



1. Verkürzung vor und zu Beginn der Ausbildung

Schon vor bzw. zu Beginn der Ausbildung kann die Ausbildungsdauer verkürzt werden. Verkürzungsgründe sind beispielsweise:

 a) 6 Monate bei Fachoberschulreife.

 b) 12 Monate

  •  nach abgeschlossener Ausbildung,
  •  bei Fachhochschulreife oder Abitur
  •  21 Lebensjahre oder älter

 c) Bei Fortsetzung der Ausbildung im selben Beruf kann die bisher zurückgelegte Zeit ganz oder teilweise    angerechnet werden.

 d) Eine sonstige einschlägige Berufstätigkeit kann angemessen berücksichtigt werden.

 

Zeugnisse und sonstige Unterlagen, die den Verkürzungsgrund belegen, sind in Kopie beizufügen. Mit Eintragung des Vertrages in die Lehrlingsrolle wird die Verkürzung wirksam.

  

2. Verkürzung bei BGJ bzw. Berufsfachschule

Hat der Auszubildende ein einschlägiges Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) oder eine Berufsfachschule erfolgreich besucht, kann diese Zeit gemäß § 1 BKAZVO NW wie folgt angerechnet werden:

a) BGJ, einjährige Berufsfachschule: 6 oder 12 Monate,

b) Zweijährige, zum mittleren Schulabschluss führende Berufsfachschulen: 6 oder 12 Monate,

c) Mehrjährige zur Fachhochschulreife führende Berufsfachschulen: 6 oder 12 Monate,

d) Mindestens dreijährige zum Abitur führende Berufsfachschulen: 12 oder 18 Monate.

 

 3. Verkürzung bei weiter fortgeschrittener Ausbildungsdauer

Bei weiter fortgeschrittener Ausbildungsdauer kommen auf gemeinsamen Antrag des Azubis und des Betriebes auch z.B. infrage: jeder Grund, der bereits als Grund bei Beginn  der Berufsausbildung gilt, soweit er nicht schon berücksichtigt wurde, ferner eine überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit und- willigkeit, die in Zeugnissen oder Bestätigungen (des Betriebes und der Berufsschule) zum Ausdruck kommt.

 

Bei weniger als 12 Monaten bis zum formellen Ausbildungsende kann nur noch über die sogenannte „Vorzeitige Zulassung zur Gesellenprüfung“ eine Verkürzung herbeigeführt werden.

  

4. Vergütung

Der Auszubildende hat trotz Verkürzung keinen Anspruch, entsprechend früher die Vergütung des 2. Ausbildungsjahres zu erhalten.

Werden dagegen Vorausbildungszeiten (z.B. BGJ) angerechnet, besteht entsprechend früher Anspruch auf die Vergütung des nächsten Ausbildungsjahres, da die Ausbildungszeit insoweit bereits als zurückgelegt gilt, der Auszubildende also nicht bei „Null“ anfängt.

 

5. Vorzeitige Zulassung zur Gesellenprüfung

Eine weitere Möglichkeit besteht in der vorzeitigen Ablegung der Prüfung. Diese Möglichkeit kommt in aller Regel dann in Betracht, wenn der Abschluss der Ausbildung in nicht mehr allzu weiter Ferne liegt und eine Verkürzung im Sinne der zuvor genannten Optionen nicht mehr möglich ist. Der Auszubildende kann bereits 6 Monate vor dem regulären Prüfungstermin gem. § 37 HwO zur Prüfung zugelassen werden, wenn er sowohl

  • in der betrieblichen Ausbildung
  • als auch in den berufsbezogenen Fächern der Berufsschule

gute Leistungen (Ø mind. 2,49) nachweist.

 

Die vorzeitige Zulassung muss bei der die Prüfung durchführenden Stelle (Kammer bzw. Innung) unter Vorlage einer Beurteilung des Betriebes, des letzten Berufsschul­zeugnisses sowie den üblichen Anmeldeunterlagen beantragt werden. Mit Bestehen der vorzeitigen Prüfung endet das Ausbildungsverhältnis.

  

6. Zusammentreffen von Verkürzungsgründen

Mehrere Verkürzungsgründe können kombiniert werden. Die Ausbildungsdauer darf dabei folgende Mindestzeiten nicht unterschreiten:

 

RegelausbildungsdauerMindestausbildungsdauer
42 Monate24 Monate
36 Monate18 Monate
24 Monate12 Monate

 

Hierbei sind aber stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es muss zu erwarten sein, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit auch tatsächlich erreicht wird.

 

 7. Verlängerung der Ausbildungsdauer

In begrenzten Ausnahmefällen kann die Handwerkskammer auf Antrag die Ausbildungsdauer verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen (§ 27 c Abs. 2 HwO). Die zuständige Stelle ist an das Vorbringen des Ausbildungsbetriebes nicht gebunden, eine Zustimmung des Ausbildungsbetriebes ist nicht erforderlich.

Gibt die Kammer dem Antrag statt, wird das Ausbildungsverhältnis hierdurch verlängert. Der Betrieb kann aber im Rechtswege gegen diese Veränderung vorgehen.

Solche Ausnahmefälle sind z. B.:

  • erkennbare schwere Ausbildungsmängel,
  • Nichterreichen des Leistungszieles der Berufsschulklasse,
  • längere, vom Auszubildenden nicht zu vertretende Ausfallzeiten (z. B. infolge Krankheit).

  

Die Verlängerung während der Ausbildungszeit hat keinen Einfluss auf die Höhe der Ausbildungsvergütung. Der Auszubildende erhält nur entsprechend länger die Vergütung des letzten Ausbildungsjahres.

  

8. Verlängerung bei Nichtbestehen der Prüfung

Besteht der/die Auszubildende die Gesellen-/Abschlussprüfung nicht - wobei grundsätzlich unerheblich ist, warum die Prüfung nicht bestanden wurde - so verlängert sich das Ausbildungsverhältnis auf Antrag des/der Auszubildenden bis zum nächstmöglichen Prüfungstermin (§ 21 Abs. 3 BBiG).

Eine Verlängerung tritt auch dann ein, wenn der Prüfling krankheitsbedingt nicht an der Prüfung teilnehmen kann (BAG, 30.09.1998 - 5 AZR 58/98). 

Hinweis: Erkrankt der Auszubildende nach der Zulassung zur Abschlussprüfung vor dieser, kommt eine Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses weder in direkter noch in analoger Anwendung des § 21 Abs. 3 in Betracht, sondern allenfalls gemäß § 8 Abs. 2 (ArbG Berlin, Urt. v. 5. 12. 1985, EzB Nr. 3 zu § 29 Abs. 3 BBiG a. F.).

Ist bereits nach § 21 Abs. 3 verlängert worden, so kommt eine Verlängerung darüber hinaus aufgrund Abs. 2 nicht mehr in Betracht. Zulassungsvoraussetzung für die Abschlussprüfung ist nach → § 37 Abs. 1 Nr. 1 nämlich, dass die Ausbildungsdauer zurückgelegt worden ist. Da die Zurücklegung nicht nur rein kalendarisch erfolgt sein darf, sondern auch inhaltlich zu verstehen ist (→ § 43) schließt dies im Falle der nicht bestandenen Abschlussprüfung aus, dass eine Verlängerung i. S. d. Abs. 2 erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Wegen der Form des Antrages.

 

9. Fristen

Der Auszubildende sollte unter Einhaltung der u.g. Fristen die Verlängerung vom Ausbildungsbetrieb mit dem Antrag auf Verlängerung der Ausbildung bei Nichtbestehen der Prüfung verlangen (Aus Beweisgründen sollte man sich den Zugang beim Betrieb durch Unterschrift und Datum bestätigen lassen).

Eine Zustimmung des Betriebes ist nicht erforderlich. Die Verlängerung wird auch gegen den Willen des Betriebes automatisch wirksam. Auch bedarf es keiner „Genehmigung“ durch die Handwerkskammer. Dieser ist die Verlängerung nur umgehend mitzuteilen, damit eine Änderung der Daten in der Lehrlingsrolle vorgenommen werden kann. Der Auszubildende hat für den Verlängerungszeitraum Anspruch auf Ausbildungsvergütung in der zuletzt gewährten Höhe, sofern nicht tarifvertraglich etwas anderes vereinbart ist.

Wichtige Fristen:

  • Wird das Verlängerungsverlangen noch während der Vertragslaufzeit (Enddatum siehe im Ausbildungsvertrag) geäußert, ist es stets rechtzeitig.
  • Wird die Verlängerung dagegen erst nach dem vertraglichen Ausbildungsende verlangt, muss dies unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern des Auszubildenden erfolgen. Dafür muss der/die Auszubildende umgehend (= spätestens 2 Wochen nach Ausbildungsende) die Verlängerung gegenüber dem Ausbildungsbetrieb geltend machen (BAG 23.09.2004 - 6 AZR 519/03, DB 2005, 1007). Wichtig: Für diese Frist ist der Zugang beim Betrieb maßgeblich.
  • Der Verlängerungsanspruch besteht auch, wenn der Prüfungstermin erst nach Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit liegt, das eigentlich beendete Ausbildungsverhältnis lebt dann mit dem Verlängerungsverlangen nach nichtbestandener Prüfung wieder auf.
              

      Beispiel:  Vertragliches Ausbildungsende: 31.05.20xx

                       Prüfung:                                     25.06.20xx

  • Fällt der Azubi durch die Prüfung, kann er die Fortführung  des Ausbildungsverhältnisses verlangen. Auch hier gilt, dies unverzüglich = spätestens 2 Wochen nach der Bekanntgabe durch den Prüfungsausschuss (Datum der vorläufigen Bescheinigung, die der Prüfungsausschuss i.d.R. am letzten Prüfungstag aushändigt) geltend zu machen.

Wird die erste Wiederholungsprüfung bestanden, endet das Ausbildungsverhältnis. Besteht der Auszubildende die erste Wiederholungsprüfung nicht und stellt er (abermals) ein Verlängerungsantrag, verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis bis zur zweiten Wiederholungsprüfung, wenn diese noch innerhalb der Höchstfrist von einem Jahr (§ 21 Abs. 3 letzter Satzteil BBiG) abgelegt wird. Die Beendigungswirkung tritt unabhängig davon ein, ob die zweite Wiederholungsprüfung bestanden oder nicht bestanden wird (BAG, 15.03.2000 - 5 AZR 622/98

 

10. Verlängerung kraft Gesetzes

Eine Verlängerung kann sich auch kraft Gesetzes aufgrund der Elternzeit ergeben; das Berufsausbildungsverhältnis verlängert sich dann automatisch um die Elternzeit, ohne dass es einer Erklärung bedarf. Eine Verlängerung kraft Gesetzes tritt auch im Fall der Vereinbarung einer Ausbildung in Teilzeit ein.